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PETER TEPE

Kritik an Kants Analytik des Schönen. Zur Theorie der ästhetischen Erfahrung: Fortsetzung und Abschluss

In Schönheit im Alltag ist eine Theorie der ästhetischen Erfahrung präsentiert worden, die den Anspruch erhebt, einen Erkenntnisfortschritt darzustellen. Sie besteht einerseits aus einer sich auf Naturphänomene, Menschen und Gebrauchsgegenstände beziehenden Theorie der Schönheitserfahrung, andererseits aus einer Theorie des mehr oder weniger gut Schmeckenden – der gustatorischen Erfahrung. Ein Hauptergebnis ist, dass sowohl die konkreten Schönheits- als auch die konkreten gustatorischen Erfahrungen stets durch ein bestimmtes Wertsystem gesteuert werden. Diese Wertsysteme verändern sich von Kultur zu Kultur, von Gesellschaft zu Gesellschaft, von Gruppe zu Gruppe. Vor diesem Hintergrund befassen sich die abschließenden Ausführungen nun vor allem mit zwei wichtigen Partien von Immanuel Kants Kritik der Urteilskraft, nämlich mit der Analytik des Schönen und der Analytik des Erhabenen, deren zentrale Thesen von vielen Theoretikern weiterhin für richtig gehalten werden.

In der Analytik des Schönen lassen sich drei Hauptthesen identifizieren: Erstens wird die Schönheitserfahrung durch ein interesseloses Wohlgefallen gekennzeichnet, zweitens wird dem ästhetischen Urteil ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit zugeschrieben, und drittens wird dieser Anspruch durch die Behauptung gerechtfertigt, in der ästhetischen Erfahrung finde ein freies Spiel der Erkenntniskräfte Einbildungskraft und Verstand statt, das in allgemeingültiger Form auf Erkenntnis überhaupt bezogen sei.

Die kognitive Ästhetik zeigt gegenüber These 1, dass das ästhetische Wohlgefallen etwa an einem bestimmten Tier mit der Freude an dessen Existenz verbunden ist – es ist nicht im Sinne Kants interesselos. Wird die Schönheitserfahrung stets von einem (variablen) ästhetischen Wertsystem gesteuert, so ist These 2, mit dem ästhetischen Urteil sei stets ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit verbunden, zu verwerfen. These 2 hängt wiederum damit zusammen, dass Kant in dogmatischer Einstellung an die Existenz des definitiv richtigen oder ‚wahren’ Geschmacks glaubt. Seine Theorie will das Erheben eines Allgemeingültigkeitsanspruchs für ästhetische Urteile als berechtigt erscheinen lassen. Die Schönheitserfahrung ist jedoch nicht als solche an die dogmatische Einstellung gebunden, sie kann auch in einem undogmatischen Rahmen stattfinden. These 3 stellt einen Versuch dar, die Berechtigung des Allgemeingültigkeitsanspruchs philosophisch zu begründen – das aber ist als Lösung eines Scheinproblems einzuschätzen. Kant begreift die Schönheitserfahrung als Vor- oder Nebenform der (allgemeingültigen) Erkenntnis, die noch nicht auf die Erkenntnis eines bestimmten Gegenstands abzielt. Geht man in ästhetischen Dingen zur undogmatischen Einstellung über und erkennt man deren Wertsystemgebundenheit, so wird diese Konstruktion überflüssig.

In der Analytik des Erhabenen behauptet Kant, dass durch bestimmte Naturphänomene die Vernunftideen (Gott, Freiheit, Unsterblichkeit) "rege gemacht und ins Gemüt gerufen" werden – sie werden aktiviert und bewusst gemacht. Kritik: Bei den Vernunftideen handelt es sich um Überzeugungen, die nicht, wie Kant behauptet, in der allgemeinen menschlichen Denkstruktur verankert sind, sondern in einem bestimmten Typ religiöser Weltanschauung, zu dem es religiöse und areligiöse Alternativen gibt. Kants Ausführungen über das Erhabene werden von bestimmten religiösen Weltbildannahmen getragen. Die Erfahrung des Erhabenen ist daher als religiöse und nicht als ästhetische Erfahrung einzuordnen; es geht hier um die Aktivierung des Glaubens an eine übersinnliche/übernatürliche Instanz in uns und außer uns.


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  • Publikationsdatum
    04/2021
  • Bereich/Forum
    Erklärende Hermeneutik
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