GERHARD SCHURZ
Toleranz im Spannungsfeld von Religion, Aufklärung und Wissenschaft
Das Thema dieser Arbeit ist die Bedeutung und die Begründung des Toleranzgebotes im Rahmen einer der Aufklärung verpflichteten Weltanschauung. Im ersten Abschnitt werden essentielle Merkmale von fundamentalistischen versus aufgeklärten Weltanschauungen kontrastierend gegenübergestellt. Danach wird die Rolle des Toleranzgebotes innerhalb aufgeklärter Weltanschauungen herausgearbeitet, die hier nicht nur eine pragmatische, sondern eine epistemische Dimension besitzt. Die herkömmliche Unterscheidung zwischen objektiver Vernunft und subjektivem Glauben wird dabei durch eine Dreiteilung zwischen zweifelsfrei objektiver Vernunft, streitbarer praktischer Vernunft und zweifelsfrei subjektivem Glauben ersetzt. Die Wichtigkeit und zugleich Schwierigkeit des Toleranzgebotes ergibt sich für den zweiten Bereich, den der streitbaren praktischen Vernunft. Meine Analyse des Gehalts des aufgeklärten Toleranzgebotes kann mithilfe von drei Thesen zusammengefasst werden:
(1.) Das Toleranzgebot hat dort seine Grenzen, wo Handlungspraktiken zur Intoleranz führen.
(2.) Toleranz gegenüber abweichender Weltanschauungen impliziert nicht unbedingt deren inhaltliche Akzeptanz oder positive Wertschätzung, wohl aber die Anerkennung ihres Existenzrechtes.
(3.) Das Toleranzgebot muss mit Meinungs- und Redefreiheit vereinbar sein und darf kein Verbot sachlicher Kritik implizieren.