MISCHA KLIEGE
Auf der Suche nach Anschlussfähigkeit. Eine kritische Analyse gegenwärtiger antisemitischer, völkischer Ideologien
Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass sich unterschiedliche völkische, antisemitische und islamfeindliche Bewegungen und politische Interessengruppen zunehmend auf der medialen Bühne Gehör verschaffen und den gesamtgesellschaftlichen Diskurs verstärkt mitgestalten.
Der vorliegende Beitrag arbeitet inhaltliche und ideologische Überschneidungen sowie Unterschiede dieser Bewegungen heraus und stellt die Frage, ob es sich bei den vordergründigen Unterschieden tatsächlich um unvereinbare Widersprüche handelt oder ob die einzelnen AkteurInnen schlicht unterschiedliche Akzentsetzungen vornehmen und eventuell einzelne Überzeugungen aus taktischen Gründen verschweigen.
Zu den untersuchten Bewegungen gehören insbesondere die querfrontstrategischen "Montagsmahnwachen für den Frieden" und die neurechte "Identitäre Bewegung".
Die Grundlage für die Untersuchung bildet neben soziologischen Theorien zu zentralen Merkmalen des modernen Antisemitismus insbesondere die kognitive Ideologietheorie von Peter Tepe, welche sich eines primär kritisch rationalen Instrumentariums bedient.
Neben der Analyse des Aussagenzusammenhanges der jeweiligen Überzeugungssysteme wird herausgearbeitet, mit welchen Mitteln das völkische Weltbild der AkteurInnen systematisch dogmatisiert und gegen Kritik immunisiert wird. Insbesondere die Tarnung von Werturteilen als Tatsachenaussagen ist hierbei von Interesse.
Zentraler Fokus der Arbeit liegt auf der Darstellung des funktionalen Zusammenhanges zwischen ethnopluralistischen und antisemitischen, ideologischen Überzeugungen, welcher sich direkt aus der völkischen Grundannahme und dem völkischen Ideal einer homogenen Volksgemeinschaft ergibt: Die Verklärung der reaktionären gesellschaftlichen Normen der völkischen AkteurInnen zu angeblichen Eigenschaften der konstruierten Eigengruppe kollidiert mit der Faktizität einer grundsätzlich modernen multikulturellen Gesellschaft. Die hierdurch erzeugte kognitive Dissonanz wird von den AkteurInnen durch das Aufstellen von Verschwörungstheorien aufgelöst, welche strukturell bis offen antisemitisch sind.