PHILIP GRAEMER
Analytische Ideologiekritik. Neopositivismus und kritischer Rationalismus im Vergleich
Ideologiekritik, welche mit dem negativen Ideologiebegriff operiert, soll einseitige Vorurteile oder Bewusstseinstäuschungen aufdecken und aufheben, um es zu ermöglichen, einen besseren Zugang zu Erkenntnis zu erlangen. In dieser Hinsicht ist die Ideologiekritik Teil der Aufklärungsphilosophie. Ebenfalls deutlich wird hier eine Überschneidung von Ideologiekritik und Erkenntnistheorie. Die vorliegende Arbeit soll ideologiekritische Elemente aus den erkenntnistheoretischen Positionen des kritischen Rationalismus und des logischen Positivismus herausarbeiten und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede verdeutlichen.
Positionen zur Ideologiefrage welche von Carnap, Popper, Albert oder Topitsch vertreten wurden, sollen des weiteren der "Frankfurter Schule" und der Postmoderne gegenübergestellt werden. Im sogenannten "Positivismusstreit" kam es zur begrifflichen Vermischung des kritischen Rationalismus und des logischen Positivismus. Auch die Postmoderne wendet sich gegen sowohl kritisch-rationalistische als auch neopositivistische Ansätze, gerade in gesellschaftlichen Fragen inklusive der Ideologiekritik. Das von postmoderner Seite postulierte Ende der großen Erzählung greift nicht nur diese beiden wissenschaftstheoretischen Ansätze an, sondern sogar analytische Philosophie und Aufklärung insgesamt.
Die Eliminierung von Werturteilen aus dem Erkenntniszusammenhang ist etwa ein Beispiel für eine ideologiekritische Forderung welche von kritischen Rationalisten und logischen Positivisten geteilt wird, nicht aber von Postmodernen oder Anhängern der "Frankfurter Schule". Die vorliegende Arbeit will letztendlich für eine aufklärerische, analytische Ideologiekritik plädieren, welche transparent, undogmatisch und frei von Immunisierungsstrategien ist.