PATRICK KÖRNER
Zur Beurteilung von Verschwörungstheorien
Häufig wird der Begriff der "Verschwörungstheorie" pejorativ verwendet und dient dazu, eine mögliche Erklärung für bestimmte soziale Phänomene von vornherein als unvernünftig zu disqualifizieren. Diese pejorative Verwendungsweise des Begriffs spielt nicht nur denjenigen Verschwörungstheoretikern in die Hände, die davon ausgehen, dass ihre in ihren Augen ehrbare Suche nach Wahrheit systematisch von der Öffentlichkeit diskriminiert wird, sondern ist auch ihrerseits unvernünftig: Denn der Gegenstand einer Theorie allein entscheidet noch nicht darüber, ob es sich um eine gute oder eine schlechte Theorie handelt. Da wir über historisch gut belegte Verschwörungen wissen – man denke etwa an Catilina oder die Watergate-Affäre – wäre es auch überstürzt, jegliche Erklärung, die soziale Phänomene auf Verschwörungen zurückführt, für indiskutabel zu erachten. Der Begriff der "Verschwörungstheorie" muss also partiell rehabilitiert werden, ohne dabei jeder aberwitzigen Theorie Tür und Tor zu öffnen.
Der Beitrag geht dabei von der allgemeinen wissenschaftstheoretischen Idee aus, dass wir noch vor der empirischen Überprüfung einer Theorie eine Qualifizierung dieser Theorie vornehmen können und müssen, denn es können nicht alle ungeprüften empirischen Theorien als gleichrangig erachtet werden. Zu diesem Zweck werden prima facie-Beurteilungskriterien diskutiert, die uns auch dann in die Lage versetzen, Verschwörungstheorien vernünftigerweise vorläufig als mehr oder weniger glaubwürdig zu qualifizieren und hierarchisieren, selbst wenn wir nicht in der Lage sind, ihre strenge empirische Überprüfung durchzuführen. Diese Kriterien sind die der Sparsamkeit und externen Kohärenz, der Alltagspsychologie, der asymmetrischen Skepsis und der Sicherheit einer Theorie. Mittels dieser Kriterien soll sich der Blick von der pauschalen Diskreditierung von Verschwörungstheorien generell auf die Glaubwürdigkeit der je einzelnen Verschwörungstheorie verschieben.