SABINE BRÄCHTER
Grundstrukturen des religiösen Fundamentalismus
Ob in Nachrichtensendungen, politischen Magazinen oder Diskussionsrunden, beinahe täglich werden wir mit dem Aufmerksamkeit erheischenden Schlagwort "Fundamentalismus" konfrontiert. Der Begriff hat sich sowohl im journalistischen als auch im wissenschaftlichen Sprachgebrauch seit Ende der 70er Jahre eingebürgert und wird in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Die dieser Tage wohl am häufigsten gebrauchte Zuschreibung des Etiketts "Fundamentalismus" erfolgt im Zusammenhang mit dem Islamismus, mit jener rigiden, radikalen Ausprägung der islamischen Religion also, die durch militante, oftmals terroristische Aktionen von sich reden macht. Doch auch in der profan-politischen Sphäre begegnet uns die in Rede stehende Bezeichnung, wenn auch inzwischen in signifikant seltenerem Maße. In diesem Kontext bezieht sie sich auf zivilisationskritische Positionen innerhalb der westlichen Industriegesellschaften, sie dient etwa zur Charakterisierung bestimmter Denkformen, Politikkonzepte und politischer Verhaltensweisen, die als Strömung innerhalb der Partei der Grünen anzutreffen sind. So ist die Bezeichnung "Fundi" in Abgrenzung zur deutlich davon zu unterscheidenden Position des "Realo" zu einer anerkannten Formel für den Vertreter einer Haltung geworden, die ein vermeintlich überlegenes Wissen von den Gesetzen und Bedingungen des Lebens zur Grundlage von Kompromißlosigkeit in der politischen Auseinandersetzung macht.