KATJA LUDWIG
Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften: Eine philosophische Interpretation in weltanschauungsanalytischer Sicht
Robert Musil beschäftigt sich in seinem Roman Der Mann ohne Eigenschaften auf literarisch-ästhetische Weise mit dem Problem, ob und wie in hochkomplexen, rationalisierten und durch fortschreitende Spezialisierung gekennzeichneten Gesellschaften nach den Autoritätseinbußen von Religion und vereinheitlichenden Ideologien eine weltanschauliche Orientierung noch möglich ist.
Die Magisterarbeit ist thematisch an der Schnittstelle zwischen Literaturwissenschaft und Philosophie verortet und leistet einen Beitrag zur Musil-Forschung, der Erforschung von Theorien und Methoden der Textinterpretation, der kognitiven Hermeneutik und der Weltanschauungstheorie bzw. -analyse. Sie ist ein Beispiel für die theoretische Auseinandersetzung mit Weltanschauungen, die gegenüber einer primär ästhetischen oder praktischen Herangehensweise keine Vorrangstellung einnehmen, sondern diese gleichberechtigt zu ergänzen sucht. Aufgrund des drohenden Gewaltpotentials, das mit dem Verlust an Orientierung und im Kampf einander rivalisierender Weltanschauungen zusammenhängt, ist die kritische Auseinandersetzung mit der Frage nach der Möglichkeit einer Einheit des "Wahren", "Guten" und "Schönen" nach wie vor relevant für den Frieden und somit von großer gesellschaftlicher Bedeutung.
Die Interpretation zeigt im Ergebnis in systematischer Weise anhand von Textbeispielen, die die bisherige Forschung ergänzen und erweitern, dass sich Musil kritisch mit typischen Weltanschauungen seiner Zeit auseinandersetzt, und verdeutlicht detailliert, wie er dabei vorgeht. Den Hintergrund dafür bildet die Suche nach einer Weltanschauung, die Musils eigenen Ansprüchen gerecht werden könnte. Die Einordnung seines Überzeugungssystems in eine der Kategorien "naturalistisch" oder "supranaturalistisch" stellt sich, auch da er gerade an der Überwindung einer solchen Unterscheidung gearbeitet hat, als problematisch heraus und bedarf weiterer Untersuchung. Nichtsdestotrotz sind für Robert Musils literarisch-ästhetische Weltanschauungsanalyse andere bipolare Muster, etwa das Begriffspaar "ratioïd" – "nicht-ratioïd" bedeutsam. Dies wird in der vorliegenden Arbeit durch ein tripolares Modell, das auf zentrale im Roman vertretene Weltanschauungen angewendet wird, ergänzt. Die weitere Ausarbeitung des Vergleichs beider Modelle, sowie die Weiterentwicklung von Kriterien der Einordnung von Weltanschauungen sind mögliche Anknüpfungspunkte für die weitere Forschung.