MARTIN JOCHHEIM
"Richthofens Problem" – Gedankenexperiment zum Begriff "Kunst"
Die abendländische Philosophie wendet sich seit jeher gerne dem Phänomen Kunst zu. Allerdings verlief nicht jedes Aufeinandertreffen von Philosophie und Kunst glücklich. Der wirkungsmächtige Vordenker Platon wertete die unnützen Nachahmungen der Künstler gegenüber realen Gebrauchsgegenständen ab und hatte damit eine Richtung vorgegeben, die nach dem Verhältnis von Kopie und Original fragt. Es galt, der Kopie einen zusätzlichen Mehrwert gegenüber dem Original zuzuschreiben. Verschiedene Kunstrichtungen des 20. Jahrhunderts gaben jegliche Unterscheidungsmöglichkeiten von Kopie und Original auf und spitzten auf diese Weise die Kunstdiskussion zu. Wie verändert sich der ontologische Status eines banalen Alltagsgegenstands, wenn dieser von einem Künstler scheinbar unmotiviert zu einem Kunstwerk erklärt wird?
Eine ähnliche Frage stellt sich Lars Gustafsson, wenn er die Memoiren des Weltkriegspiloten Manfred von Richthofen liest. Warum würde sich dessen "dürftiger" Text unter der Feder eines Schriftstellers in ein "bemerkenswertes" Kunstwerk verwandeln? Welchen Mehrwert besitzt die fiktive Kopie vor dem Original, obwohl sich die beiden Texte inhaltlich nicht voneinander unterscheiden?
Das von Gustafsson erdachte Gedankenexperiment "Richthofens Problem" wird in dieser Arbeit auf die kunstphilosophische Diskussion bezogen. Nach einer Vorstellung der Disziplin "Kunstphilosophie" und der Methode des Gedankenexperiments widmet sich die Arbeit den ästhetischen Eigenschaften von Kunstwerken, der Wertediskussion bei nachahmender Kunst und fragt nach Eigenschaften von Kunstwerken, die über die rein ästhetische Ebene hinausgehen.