TIMO THELEN
Kritik aus Sicht der kognitiven Hermeneutik zu der Sandmann-Interpretation "Das Sandmann-Syndrom" von Claudia Lieb
Basierend auf der von Peter Tepe entwickelten Methodologie der kognitiven Hermeneutik wird der Aufsatz "Das Sandmann-Syndrom" von Claudia Lieb kritisch hinterfragt. Diese Interpretation zu E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann ist in Der Deutschunterricht Heft 3/2005 erschienen und versucht Parallelen zwischen der besagten Erzählung aus dem Jahre 1815 und dem Vampirfilm Bram Stoker's Dracula von Francis Ford Coppola von 1992 herzustellen.
Dabei geht die Autorin davon aus, dass die korrekte Interpretation des Sandmanns eine psychologische Deutung sei; Nathanaels Wahnsinn demnach die Erklärung für die übernatürlichen Ereignisse innerhalb der Erzählung ist. Diese These widerspricht dem Untersuchungsergebnis aus Sicht der kognitiven Hermeneutik, die eine dämonologische Interpretation mit einer Erzählstrategie des Offenhaltens als einzige legitime Option erachtet, wie im Buch Interpretationskonflikte am Beispiel von E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" von Tepe, Rauter und Semlow ausführlich nachzulesen ist.
In diesem Essay wird in einem ersten Schritt der Aufsatz von Lieb unter dem Aspekt der verschiedenen Deutungsoptionen des Sandmanns kurz kategorisiert. Im folgenden Resümee des Textes werden neben dem Inhalt auch die Argumentationsschritte von Lieb analysiert. Mit dem Hintergrund der kognitiven Hermeneutik und der Lösung des Interpretationskonflikts durch Tepe u.a. wird im letzten Schritt "Das Sandmann-Syndrom" von Lieb kritisch beleuchtet und der wissenschaftliche Wert ihrer Interpretation geprüft.