NATALIE URBIG
Basis-Interpretation: Frank Kafka: Der Riesenmaulwurf, eine Analyse nach der kognitiven Hermeneutik
"Fast bewusstlos" schrieb Franz Kafka am 18. Dezember 1914 an der Erzählung Dorfschullehrer. Acht Tage später, am 26. Dezember 1914, bezweifelte er, dass er diese Geschichte jemals zu Ende bringen werde, denn schon jetzt habe sie seinen eigenen Worten nach "zwei unheilbare Fehler in sich und ist außerdem verkümmert." Tatsächlich stellte Kafka nach kurzer Zeit die Arbeiten am Dorfschullehrer ein. Erst nach seinem Tod veröffentlichte Max Brod das Manuskript und änderte den ursprünglichen Titel Dorfschullehrer in Der Riesenmaulwurf.
In der Erzählung lässt Kafka Welten aufeinander prallen. Ein alter Dorfschullehrer nimmt sich der Entdeckung eines Riesenmaulwurfs an, doch ist er bei der Verbreitung seiner Arbeit wenig erfolgreich. Einzig ein Kaufmann aus der Stadt wird auf ihn aufmerksam und möchte ihm helfen, obwohl er noch nie einen Blick in die Abhandlungen des Lehrers geworfen hat. Warum liegt ihm dann so viel daran, den Lehrer zu unterstützen? Und wieso scheint dieser gar nicht so erfreut darüber zu sein, dass er auf einmal Hilfe von außerhalb bekommt?
Die kognitive Hermeneutik, eine neuartige Literaturtheorie, wendet sich von dem "klassischen Begriff der Autorintention" ab. Vielmehr geht sie davon aus, dass der Autor, wenn auch nur unbewusst, von bestimmten Instanzen während des Schreibprozesses beeinflusst wird und jedes Werk über ein Textkonzept verfügt sowie von dem Literaturprogramm und Überzeugungssystem des Autors geprägt ist.
In der vorliegenden Hausarbeit wird die Erzählung Dorfschullehrer auf diese Instanzen überprüft. Mittels Hypothesenbildung und anschließenden Optionenvergleich wird eine Deutung von Kafkas Dorfschullehrer angestrebt.