Seminarinfo
Peter Tepe und Tanja Semlow: Feindbilder (WS 2006/07)
Im Wintersemester 2006/07 fand unter der Leitung von Peter Tepe und Tanja Semlow das Hauptseminar Feindbilder statt, das im Rahmen des Schwerpunkts der Ideologieforschung zuzuordnen ist; in demselben Semester wurde aufgrund dieses Zusammenhangs deshalb auch eine Einführung in die Ideologieforschung als Vorlesung angeboten.
In den Seminarsitzungen wurden – nach einem Brainstorming zum Ausdruck "Feindbilder" – zunächst die theoretischen Ansätze von Weller und Tepe behandelt; dann kamen mehrere historische Beispiele für Feindbildkomplexe zur Sprache (der Antichrist, der Jude als Gottesmörder und als Wucherer, die Hexen, die Europäer als Feindbild im Kolonialismus); in der letzten Runde ging es um weitere theoretische Ansätze und Anwendungsfelder (zum Begriff des Vorurteils, Feindbilder im Sozialismus, Feindbild Amerika, Feindbild Islam).
Aus diesem fächerübergreifend angelegten Seminar sind überdurchschnittlich viele sehr gute Arbeiten hervorgegangen, die sich einzelnen Aspekten des komplexen Gesamtthemas zugewandt haben; wir haben sie alle der Unterrubrik Feindbildtheorie zugeordnet. Das breite Spektrum wird durch die Titel der aufgeführten Beiträge angezeigt:
- Daniela Bluhm
Das Feindbild "Jude" in Literatur und Film des Nationalsozialismus - Stefan Bukacek
Feindbildmechanismen in politischer und kommerzieller Werbung - Marijn Groenendijk
Die Darstellung des nordamerikanischen Indianers und ihre Funktion für die Besiedlung Nordamerikas in James Fenimore Coopers Der letzte Mohikaner - Gianna Jansen
Das "Feindbild Jude" in den nationalsozialistischen Propagandafilmen Jud Süß und Der ewige Jude - Gianna Jansen
Feindbilder in der BILD-Zeitung? - Nils Jittler
Donald Duck in "Nutsi Land". Feindbilder im Zeichentrickfilm während des Zweiten Weltkriegs - Susanne Kurth
Äußerungsformen des Feindbildes "Kapitalismus" in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR. Im Kontext des Literaturbetriebs exemplarisch dargestellt an Brigitte Birnbaums Reise in den August von 1967 - Friederike Lepper
Werner Sombarts Die Juden und das Wirtschaftsleben unter dem Aspekt des Feindbildes - Till Simon Nagel
Feindbilder des Sozialismus – Wie die DDR den Westen sah - Nils Raettig
Feindbilder in Computerspielen. Eine exemplarische Untersuchung - Daniela Schilling
Die Rolle des Archivs bei der Konstruktion und dem Abbau von Feindbildern - Fabian Scherle und Florian Schrupp
Feindbild Amerika und Feindbild Islam - Daniel Schulzek
Personifikation und Demontage eines Feindbilds: Bram Stokers und Fred Saberhagens "Dracula"-Varianten - Peter Sieben
Der Teufel in Otfried Preußlers Krabat – ein Feindbild? - Nina Spangenberger
Das Feindbild "der Preuße" in Guy de Maupassants Novellen Boule de Suif und Mademoiselle Fifi - Kathrin Zachary
Konservierung eines Stereotyps – zur Entstehung und Funktion des Feindbilds Hexe
Peter Tepe hat ein zweistufiges Analysemodell für den Umgang mit literarischen Texten und anderen Phänomenen entwickelt, die "feindbildhaltig" sind. Demnach sind im ersten Schritt, wie bei allen anderen Texten, die Prinzipien der kognitiven Hermeneutik anzuwenden: Auf die deskriptiv-feststellende Textarbeit folgt die Ermittlung der textprägenden Autorinstanzen nach der Methode der Basis-Interpretation. Dabei geht es z.B. darum, ein bestimmtes Überzeugungssystem aus dem rechtsradikalen Spektrum so genau wie möglich zu rekonstruieren. Im zweiten Schritt ist dann das feindbildtheoretische Konzept anzuwenden. Das betrifft vor allem zwei Punkte:
- Gibt es für das fragliche Überzeugungssystem einen grundsätzlichen Gegner? Diese Gegnerschaft hinsichtlich der Werte, Ziele usw. ist möglichst genau zu bestimmen.
- Erfährt der grundsätzliche Gegner oder Feind eine negative Überhöhung, wird er "verteufelt"? Die Mechanismen dieser Überhöhung und die dabei konstatierbaren kognitiven Defizite sind so genau wie möglich zu erfassen.